Neumünster (dpa/lno) – Schleswig-Holsteins Grüne sehen in einem Nationalpark weiterhin das beste Mittel für den Schutz der Ostsee. Einstimmig beschloss ein Landesparteitag am Samstag in Neumünster einen entsprechenden Antrag. „Wir sind nicht an dem Punkt, wo wir uns von der Nationalpark-Idee verabschieden müssen“, sagte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne).
Zuvor hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor den rund 100 Delegierten für einen Nationalpark geworben. Die Probleme, die ein Nationalpark nach sich ziehen könne, seien lösbar, sagte der frühere schleswig-holsteinische Umweltminister. „Warum sollte das, was für den Tourismus und die Wirtschaft an der Westküste gut ist, nicht auch für die Ostseeküste gut sein.“
Die vorgebrachten Gegenargumente erinnerten ihn an die Debatte vor Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer – Natur werde gegen Tourismus, gegen Wertschöpfung und gegen Fischerei ausgespielt, sagte Habeck. Es werde argumentiert, dass der Schutz von Umwelt und Natur ein Nachteil für die Wirtschaft, für den Tourismus oder für den Freizeitsport sein könne. „Das hatten wir doch schon alles.“ Der Nationalpark Wattenmeer habe sich komplett anders entwickelt. „Heute ist das ein glücklicher Vorfall.“ Hotels auf den Nordseeinseln Sylt, Amrum und Föhr würden heute dafür werben, dass sie im Nationalpark lägen.
Trotz massiven Widerstands des Koalitionspartners CDU gab sich der aktuelle Umweltminister Goldschmidt kämpferisch. Er werde weiter für das Thema streiten: „Wir Grüne bestaunen die Probleme nicht wie andere.“
Dem Meer werde nicht mehr erlaubt, sich zu erholen. „Schutzgebiete, nutzungsfreie Räume sind nichts anders als das Immunsystem der Meere.“ Seiner Partei sei es nicht egal, dass sich Schweinswale in Geisternetzen verhedderten oder keine Fische mehr als Nahrung fänden. „Der Nationalpark steht für das Anpacken der Probleme.“
Die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Ökologie, Sina Clorius, nannte einen Nationalpark zwar „die beste Lösung“. Aber: „Von uns aus können das auch mehrere Naturschutzgebiete sein.“ Das müssten dann aber Nullnutzungszonen sein.
Die Co-Landesvorsitzende Anke Erdmann räumte ein, dass es bei dem Thema in der Koalition „im Karton gerappelt“ habe. „Wir haben in den letzten Monaten viele laute Nein-Stimmen gehört, aber wir hören auch auf die vielen leiseren Stimmen.“ Ein Nationalpark könne „Sympathiebooster für den Tourismus“ werden. Alle wollten mehr Meeresschutz. „Da nehmen wir auch die Union beim Wort, am Ende zählen effektive Maßnahmen.“
Die stellvertretende Landtags-Fraktionschefin Silke Backsen betonte: „Wir brauchen endlich verbindlichen und besseren Schutz für unsere Ostsee.“
Der Widerstand beim Koalitionspartner Union ist aber immens. Mehrere Kreisverbände und der Landesvorstand um den Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Daniel Günther sprechen sich in einem Antrag für den Landesparteitag am 5. Oktober klar gegen einen Nationalpark Ostsee aus. Sie wollen den schlechten Zustand des Meeres stattdessen mit Hilfe von freiwilligen Vereinbarungen sowie Steinriffen und Seegraswiesen verbessern.
Während des Konsultationsprozesses hatten sich vor allem Tourismusunternehmen und -verbände, aber auch viele Kommunen an der Küste gegen einen Nationalpark positioniert. Sie befürchten Einschränkungen zum Beispiel für den Wassersport. Unterstützung für einen Nationalpark kam von Umweltverbänden.
Thema in Neumünster war aber auch die Europawahl im kommenden Jahr. 97 Prozent der 100 bei der Abstimmung anwesenden Delegierten votierten für Rasmus Andresen als Kandidaten für die Europawahl.
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